Wenn man den Fehler übt ...
Der menschliche Körper ist
zu Tätigkeiten befähigt, die erstaunliche Geschicklichkeit
erfordern. Im Zirkus wird damit Geld verdient.
Zauberkünstler
und professionelle Falschspieler, Eiskunstläufer
oder Geräteturner, sie alle beweisen eine unglaubliche
Perfektion in Fingerfertigkeit und körperlichen
Abläufen.
Es gibt eine Abhängigkeit zwischen
der Themen- oder Tätigkeitsbeherrschung und der
Denkweise, die wir damit verbinden. Wer zum ersten
Mal ein Menü kocht, der tut das quasi mit einem
geistigen Netzplan. Wenn er es zum hundertsten Male
tut, dann ist daraus Intuition geworden.
Diesen Weg vom Denken zum Alleine- Laufen- Lassen
begleitet ein Loslösen von der willentlichen Einflussnahme,
bis hin zu der hohen Kunst der Zen-Übungen, wo der
Übende sich gar nicht mehr als derjenige betrachtet,
der beispielsweise einen Pfeil abschießt.
Motorische Fehler
Es gibt nun aber auch Punkte in dieser Entwicklung,
an denen man Dinge durcheinanderbringt. Wer Maschineschreiben
lernt, der bringt hin und wieder bei immer dem gleichen
Wort oder der immer gleichen Silbe die Buchstaben
durcheinander. Dem Zauberkünstler geraten immer
die zwei gleichen Spielkarten in die verkehrte Reihenfolge.
Der Billardspieler lenkt in immer der gleichen Situation
die Kugel zu weit nach links. Ein Schüler spricht
immer die gleiche Vokabel auf die gleiche Weise
falsch aus.
Manchmal treten solche Fehler sogar dann auf, wenn etwas schon jahrelang richtig funktioniert hat.
Den Fehler üben ...
Zur Behebung solcher Fehler bedient man sich einer sehr interessanten Übungstechnik. Man nennt sie die negative Übung. Sie besteht darin, dass man gerade das übt, was falsch ist. Man übt den Fehler. So wird also der Tischtennisspieler absichtlich den Schläger etwas zu steil halten. Die Sekretärin wird absichtlich dreißigmal die gleiche Silbe in falscher Buchstabenfolge tippen. Der Kartenprofi wird absichtlich seinen Daumen zu fest an die Spielkarten drücken. Was immer man an Fehlverhalten loswerden will, übt man ein.
Durch
diese motorische Übung lernt die motorische Steuerung
des Gehirns den Unterschied kennen zwischen der
gewünschten Geschicklichkeit und dem kleinen, aber
entscheidenden Fehler. So kann die Steuerung schließlich
zwischen den Alternativen entscheiden.
Die negative Übung ist ausgesprochen wirkungsvoll. Aber sie ist eng beschränkt auf Anwendungen, die körperliche oder geistige Geschicklichkeit erfordern. Ihr Anwendungsgebiet liegt auf der untersten Ebene der Detail-Ausführung.
Psychologische Tricks ...
Man spricht dort zwar nicht von "negativer Übung", aber man tut dasselbe bei psychologischen Tricks: Wer oft errötet, kann sich das erstaunlicherweise abgewöhnen, indem er es sich absichtlich vornimmt. Hier verankert man eine verbesserte Verhaltensweise im Bewusstsein, indem man sich dem Fehler konzentrierter und aus neuem Blickwinkel zuwendet.
Es gibt übrigens auch einen Lerntrick, die Paradoxe Intervention, die ähnlich wirkt: Ein Schüler stellt eine Liste von Vokabeln zusammen, die er nicht lernen muss. Das Gehirn nimmt sie umso freudiger auf.
Literatur:
Bruno Klumpp:
"So steuern Sie Ihr Gehirn zu besseren Leistungen" |
Die Arbeitsweise unseres Gehirns ist auf vielfältige
Weise durch pfiffige Tricks und Methoden beeinflussbar.
Bei manchen Talenten sind phantastische Leistungssteigerungen
möglich
Sogar beim problemlösenden Denken kann es manchmal
sehr lehrreich sein, effektvolle Fehler zu machen.
Diese absichtlich zu machen, bringt aber selten
etwas. Sie sollten sich also nicht verleiten lassen,
ständig die falschen Dinge zu lernen und die falschen
Aufgaben auch noch schlecht zu lösen.